Wir betreten innerhalb der LAUTLEHRE das Reich der Konsonanten. Wiederum soll auf wesentliche hervorstechende Charakteristika unserer Mundart aufmerksam gemacht werden, zunächst für den Bereich der Dentale. Das germanische „d” ist anders als im heutigen Hochdeutsch vielfach noch erhalten, z. B. in „Daag”, „Dooehter” (Tage, Tochter) (vgl. engl. „day”, „daughter”). Germanischen Ursprungs ist auch das Phänomen eines „d” im Plural des Präteritums:
ich laachet, vür laachede (nhd.: wir lachten).
In bestimmten Positionen („intervokalisch”) fällt der Dental ganz aus; so heißt es statt „Blatt, Blätter”
Blatt, Blar.
Die Erscheinung beschränkt sich nicht auf die Pluralbildung, sondern findet sich auch in Wörtern wie „Oem” (Atem), „Weär” (Wetter), „beäne” (beten) usf.
„Unorganisch” (Quelle 08) oder „euphonisches Einschiebsel” (Quelle 09) muss man den Sprossdental nennen, wie er etwa in „Honn, Honnder” (Hühner), „Mullejan, Mullejannder” (Schwätzer) oder „Donnderweär” (Donnerwetter) begegnet. Und nur als Analogie lässt sich erklären, dass neben „Ovvend” (Abend) auch das Wort für „Ofen” das gleiche End-d annimmt (vgl. „Krugenovvend” – Krugenofen [Straße]; im Hochdt.: Abend / abendlich; Morgen / morgendlich).
Ein ursprünglich weiches „d” wird wie im Hochdt. am Wortende durch Auslautverhärtung als „t” gesprochen (Monnd, Monnde – Mond, Monde; Mooed, Mooede – Mord, Morde). Doch der Gebrauch im Präteritum schwankt: für „wir wurden” hört man „vür wooede” neben „vür wooete”.
Das doppelte „d” (Hoddel – Lumpen) kommt häufig vor, ist zwar auch dem Hochdeutschen vereinzelt bekannt („Kladde”, „Widder”), aber eigentlich ein Charakteristikum des Niederdeutschen.
In der sogenannten 2. Hochdeutschen Lautverschiebung (um 600 n. Chr.) wurde regelmäßig aus „t” ein „z” oder „ß”. Seither heißt der Hunnenkönig Attila „Etzel”, und die lateinische „tegula” wird zum „Ziegel” (demnach ist das ebenfalls dorther stammende Wort „Tiegel” erst später ins Deutsche übernommen und nicht mehr verschoben worden). Bei der Einteilung der deutschen Mundarten, die nur durch Landkarten für einzelne markante Wörter beschrieben werden kann (Deutscher Sprachatlas), ist eines der Schlüsselwörter das „das”. Der Unterschied „dat” / „das” trennt das Moselfränkische vom Rheinfränkischen (Quelle 10). Mit dem „dat” (also keine Lautverschiebung) gehört Aachen zum niederdeutschen Raum (das Ripuarische in Aachen und Köln zählt mit dem Moselfränkischen zum Mittelfränkischen). In Fällen wie „riiße”, „biiße” (reißen, beißen – also diphthongiert, s. o., vgl. ndl. „bijten”) hat das Öcher Platt jedoch die 2. Lautverschiebung vollzogen („t” wird zu „ß”).
Noch einige Einzelbeobachtungen: „unorganisch” ist auch das „t” in „Öester” (Plural zu „Oes” – Aas) oder „neste” (niesen) (Quelle 11). Wer ein feines Ohr hat, wird auch bestätigen, dass Aachener das „z” (= „ts”) in „Salz” fast als „s” sprechen (Quelle 12). Stimmhaftes „z” kennt das Hochdeutsch nicht; man höre aber „meddse ejjen Stroeß” (mitten auf der Straße). Das hochdeutsch nicht erhaltene germanische „th” steckt noch in Wörtern wie „Hetzde” (Hitze), „Hüehde” (Höhe) u. a. Das „z” lässt sich verdoppeln (Hazzer, Wozzel – Herzen, Wurzel). „zz” wird verwendet bei einem „rz” im hochdeutschen Ursprungswort.
Wir wenden uns der Gruppe der Labiale zu. Regulär wird (anders als im Hochdeutschen) germanisches intervokalisches „b” zu „v” (drive, blive – treiben, bleiben). Die 2. Hochdeutsche Lautverschiebung macht aus „p” ein „ph” bzw. „pf”, und die Leitwörter des Sprachatlas: „dorp, appel, ponk” (Quelle 13) offenbaren: diese Verschiebung vollzieht das Öcher Platt nicht. Die Grenze „dorp” / „dorf” (vgl. Eädäppel, Ieledörp – Kartoffeln, Eilendorf) trennt das Ripuarische vom Moselfränkischen (mit dem es beim „dat” noch zusammenging). Einzelne Ausnahmen sind zu registrieren, z. B. „schliife, loufe, schloffe, suufe, piife, Houf” (Quelle 14) (schleifen, laufen, schlafen, saufen, rauchen).
Die Auslautverhärtung des „b” ist selten (Küeb, Jockeb, Opjab, Stöbb – Jakob, Jakob, Aufgabe, Staub; vgl. hochdeutsch „Staub”, gesprochen als „p”); „b” wird eben auch im Auslaut meist „v” (joev, hauv – gab, halb). Die Doppelung „bb” ist wie bei den Dentalen niederdeutscher Einschlag (Schlubbe, Rebbe – Hausschuhe, Rippen; das hochdt. „Ebbe” ist wohl eingebürgertes Niederdeutsch).
Bei der Aussprache des „v” gibt es im Öcher Platt folgende Varianten:
(v1) wird wie im Hochdeutschen („von“) als „f” gesprochen (wie „vöör” – vor). (v3) ist stimmhaft wie hochdt. „Vase”: vüür, Duemjroeve (wir, Lausbuben). Dazwischen liegt das schwache (v2) (joev, houv, verbast – gab, halbes, irre). In der Verdopplung gibt es stimmloses (vv1) (wie „jevv” – gib) und stimmhaftes (vv2) (wie „jevve” – geben).
Aussprache v1, v2, v3, vv1, vv2
Ein „w” ist im Unterschied zum hochdt. „bauen” in „bouwe” deutlich (Quelle 15). Stärker noch wird aus „Louis” der „Luwwi”. Die Öcher Aussprache des „w” weicht vom Hochdeutschen ab: dort beginnt „Wasser” phonetisch wie „Vase”. Das Aachener „w” (Wenk, duw – Wind, damals) öffnet sich mit einem leichten „u”, dem englischen „what” ähnlich. Gleiches gilt für (ww) (luwwe – läuten).
Bei den Gutturalen wird die 2. Lautverschiebung in der Aachener Mundart bzw. im Ripuarischen eindeutig vollzogen, denn im Auslaut nach Vokal wird „k” regelmäßig zu „ch”: „ich, maache” bezeichnen die Grenze zum niederdeutschen „ik, maken” (Quelle 16). In diesem Fall hat Aachen sich also vom niederdeutschen Sprachraum abgekehrt.
Eine große Bandbreite offenbart sich bei der Aussprache des „g”. Für das „g” im Anlaut vermeldet unser Aachener Sprachschatz lapidar: siehe „J”. Folgerichtig erscheinen Lautverbindungen, die das Hochdeutsche nicht kennt: Wörter, die mit „jl”, „jn” oder „jr” beginnen. Im Inlaut ist es – gedoppelt – vorhanden: „Tagge” (im Hochdeutschen abermals nur seltene niederdeutsche Einsprengsel: „Egge”), im Auslaut kann es verhärten zu „Tack” (Zweig). Meist aber entspricht das auslautende „g” einem „ch”, und zwar wie im Hochdeutschen nach „a”, „o”, „u” rauh (Og, Daag, Boeg – Auge, Tag, Bogen), nach den anderen Vokalen „palatal” (leäg, Wejg, Kreg – leer, Weg, Krieg), vgl. „Boch” und „Böcher” (Buch, Bücher).
Interessant sind die diversen Übergänge zwischen „g”, „j”, „k”, „ch” und „s” bzw. „x” (= „ks”). Man höre oder spreche:
(ch1) klingt wie ein schwaches „sch”
(Wejch, Dolch, du weächs, weäch, dörch – Woche, Dolch, du wirst weich, weich, durch)
(ch2) klingt wie ein starkes „sch” (Löücher, Böcher – Löcher, Bücher)
(ch3) klingt im Rachen (Boch, laache, du laachs, doech – Buch, lachen, du lachst, tat)
(chs) ist kaum hörbar (Knöüchsje – Knöchlein)
Gern zitiert man das „Roeseknöüchsje” („Musikantenknochen”) als Schibboleth (Quelle 17) oder Erkennungsmerkmal, ob da ein echter Öcher spricht.
(g2) ist kaum hörbar (sondegs – sonntags)
(g3) klingt wie ein schwaches „sch” (Wejg – Weg)
(g4) klingt wie ein starkes „sch” (Sörg – Sorgen)
(g5) klingt im Rachen wie ein „ch” (Og, Daag, du loegs – Auge, Tag, du lagst)
(g6) klingt nach einem „r” wie bei „sage” (sagen) oder „drage” (tragen)
(gg2) klingt wie bei (ch1) nach einem schwachen „sch” (krigg – „kriege”, bekomme)
(gs1) ist kaum hörbar (sondegs, Ögsje – sonntags, Äuglein))
Aussprache g2, g3, g4, g5, g6, gg2, gs1
(ij) klingt ein wenig breit (Wij – Weite)
(ijj) klingt kurz (Sijj, krijje (Quelle 18) – Seite, bekommen)
(öj) klingt wie „Höjt” (Hefe, Kopf)
(öjj) klingt kurz wie „nöjj” (neu) (blöjjhe – blühen)
Die Schreibweise „j” oder „jj” hat (fast) keine Auswirkung auf kurze oder lange Sprechweise, sondern hängt ab von der Wortherkunft.
(üj) (Büjel; Brüj – Kleiderbügel; Schlag, Last, Folge) (mittel)lang
(üjj) (lüjje, drüjje – lügen, trocknen) kurz
Vor Dental fällt das ursprüngliche „ch” gewöhnlich aus (lieht, Wiieht, Kneäht – leicht, Wicht, Knecht), auch vor „s” (wahße, sess – wachsen, sechs: die Grenze zwischen „sess” und „sechs” verläuft bei Eschweiler (Quelle 19). Ein stimmhaftes „s” (=(s2)) nach kurzem Vokal kennt das Hochdeutsche nicht, aber in Aachen kommt es vor: früse, Pisel (frieren, Knute).
(s1) ist ein stimmloses „s” (verdrüse, du kriss (Quelle 20), sondes – verdrießen, du bekommst, sonntags)
(s2) ist ein stimmhaftes „s” (sage, roese – sagen, rasen)
„s” nach „r” wird regelmäßig „sch” (Feäsch, iesch, Dooesch – Ferse, erst, Durst). Für stimmhaftes „sch” (= (sch2)) stehe „Mascherang” (Gemengsel) (vgl. hochdt. Fremdwörter wie „Garage”).
(sch1) ist stimmlos (Wäjsch, du wäjschs – Wäsche, du wäschst))
(sch2) ist stimmhaft (Mascherang / im neuen Aachener Sprachschatz mit Unterstrich markiert)
(sch3) klingt wie bei (ch1) nach einem schwachen „sch” (wischpele, vöschte – wispern, vorderste)
Generell müssen im Öcher Platt die Übergänge zwischen „ch” und „sch” als fließend angesehen werden. Der Aachener erkennt wohl am zu feinen (ch2) die andere lokale Abkunft, z. B. aus dem Selfkant (Quelle 21).
Auch bei den Nasalen stoßen wir auf Eigentümliches und doch Gesetzmäßiges. Das auslautende „n” ist deutlich im Schwinden begriffen (Quelle 22), etwa bei allen Infinitiven (loufe, senge, danze – laufen, singen, tanzen), beim „Ferke” (Schwein), das einmal ein „varken” war, und oft sonst:
Ka me va buuße aa dat Ferke komme? – „Kann man von außen an das Schwein (Ferkel!) kommen?”
Manche Sprecher binden jedoch weiter gern, und so findet sich bei vielen Stichwörtern unseres Wörterbuchs ein eingeklammertes „(n)”.
Will Hermanns hat liebevoll das „Öcher Chinesisch” bedichtet. Die häufige Umbildung von „n” in „ng” fällt auf:
Ming nüng Schong sönd fing. (Quelle 23) – Meine neun Schuhe sind schön (fein).
Diese Erscheinung verbindet Aachen mit Köln und setzt sich gegen das Limburgische ab. Übrigens handelt es sich keineswegs immer um französische Herkunft wie bei „Ammesemang” (Vergnügen) oder „Festäng” (Fest). Ein ursprüngliches „ng” verhärtet dagegen im Auslaut: Denk, Jangk, Rengk, Zidongk (Quelle 24) (Ding, Gang, Ring, Zeitung). Hermanns / Lantin unterscheiden meist mit der Schreibweise „Renk”, „Kenk” (Rind, Kind) die gleichlautende Aussprache bei ursprünglich fehlendem Guttural (Quelle 25). Jardon (Quelle 26) kennt nur vier Ausnahmen, wo der Nasal entfällt: „Könnek” (König) (ursprgl. „Koning”), „Pennek” / „Fennek” (eig. „Pfenning”, das „p” existiert also verschoben und unverschoben; die Pluralbildung durch Konsonantenverdoppelung „Pennegge” bringt wieder das unverhärtete „g” zutage), „Härrek” (Hering) und „Schellek” (Schilling); wir ergänzen „Perrek” (Regenwurm).
In die Endung „nd” / „nt” dringt regelmäßig ein „g” / „k” ein (Wenkter, Engd, heä kankt, menkt etc. – Winter, Ende, er kannte, meinte). Heutige Sprecher machen aber aus „aajebrankt” (angebrannt) häufig schon ein „aajebrant”: die Sprache lebt und ent-wickelt sich weiter.
Abschließend sei für die Liquiden („l”, „r”) festgehalten, dass beide schwinden können, z. B. vor „t” (ooet, kooet, bau, haue, soue – alt, kalt, bald, halten, sollten; futt, Wooet, wooed, Peäd – fort, Wort, wurde, Pferd), vor „f” (hauv, Wouf – halb, Wolf), vor „z” (Hazz, Eäze, fozze, Pooetz, schwazz – Herz, Erbse, furzen, Pforte, schwarz) und das „r” selbst vor dem „l” (Keäl – Kerl).
Charakteristisch ist auch der Übergang von „vöörjen Döör” (vor der Tür) zu „vöjjen Döör” (Quelle 27). Man denke an den Fortfall des End-n (s. o.) oder Formen wie „jeweäs / jeweä” (gewesen) (gilt als Burtscheider Eigentümlichkeit). Und ein letztes interessantes Phänomen: der Wechsel zwischen „r” und „l”, gelegentlich als Lambdazismus oder Rhotazismus bezeichnet. So steht „Kerver” für „Kerbel”, „Elber” für kölnisch „Erbel” (Erdbeere), „Prumm” für „Pflaume” (einschl. der Verschiebung des „p” und der Diphthongierung), „ävvel” für „aber”, „Elleter” für „Erle”, „Dölper” neben „Dörpel” (vgl. „Tölpel”).