Unser digitales Wörterbuch

Hier ein wunderbarer Artikel von Bernd Büttgens vom 16.10.2023:

Zum Nachhören und Selbersprechen: So macht das Öcher Platt richtig Spaß

Sie freuen sich darüber, dass der „Neue Aachener Sprachschatz“ (das grüne Buch) nun auch seine Hörfassung bekommt, die mit vielen interessanten Anwendungen aufwartet. Aus dem Vorstand des Vereins Öcher Platt: Claire Müller, Franz-Josef Eck, Hein Schnitzler, Projekt-Motor Meinolf Bauschulte und Uli Wollgarten. Foto: MHA/Harald Krömer

Von Bernd Büttgens

Die Macher des „Neuen Aachener Sprachschatzes“, Mammutstandardwerk der Öcher Mundart, haben noch eins drauf gesetzt: das klingende Wörterbuch.

Diese Ankündigung klingt gut. Und das im doppelten Wortsinn. Schön, dass es diese Neuerung gibt. Und fein, dass man hören kann, wie gut das klingt: Öcher Platt für die Ohren! Denn das ist unbestritten: Ein Dialekt lebt, wenn er gesprochen wird, wenn er sich im Klang entfalten kann.

Worömm jeäht et sich? Worum geht’s? Die Macher des Standardwerks „Neuer Aachener Sprachschatz“, dieses hochgeschätzte Wörterbuch mit Tiefgang rund um das Öcher Platt, haben ihr Vorhaben vollendet, die rund 75.000 Wörter und Begriffe, die im gedruckten Buch verewigt sind, in einem klingenden Wörterbuch auch hörbar zu machen.

„Der Neue Aachener Sprachschatz wird auf unserer Webseite www.klingendes-woerterbuch.de klanglich vorgestellt und kann per Volltextsuche komplett durchstöbert werden“, erzählt Meinolf Bauschulte, der als erfahrener Musikproduzent und Verantwortlicher für das digitale Öcher-Platt-Projekt die notwendige Datenbasis zusammenstellte. IT-Experte Thomas Greven, Mitglied des Vereins Öcher Platt, kreierte damit die Webseite, eine Aufgabe mit zahlreichen Tücken, um die ihn mancher Internet-Profi nicht beneidet hätte.

Und siehe da, nein, höre da: Die Volltextsuche im digitalen Wörterbuch erfolgt nicht nur im Öcher Platt, sondern auch in den Übersetzungen und Redensarten. Man kann auf der Seite nach einzelnen Wörtern und auch Wortbestandteilen suchen, was bei einem gedruckten Wörterbuch nicht möglich ist.

Und prompt erscheint eine ganze Anordnung von Wörtern und Redewendungen, in denen der gesuchte Wortbestandteil steckt – und der Clou: Jedes Wort wird auch klanglich so erläutert, dass auch Nicht-Öchern mit Spaß an der hiesigen Sprache die richtige Aussprache-Richtung gegeben wird. Wir haben es probiert mit den Wortbestandteilen unter dem Suchbegriff %heät% oder %kenk% und freuen uns über eine satte Trefferausbeute.

Für Meinolf Bauschulte ist das ein großer Schritt in der Präsentation und Dokumentation des Öcher Platts, erst recht für den Verein Öcher Platt mit seinem Vorsitzenden Franz-Josef Eck: „Die Mundart ist immer eine gesprochene Sprache, sie muss klingen. In der Schriftform haben wir dank des Sprachschatzes eine perfekte Grundlage, nun wird die Aussprache, die ja so entscheidend und schön ist, nachgereicht.“ Das Projekt wird im Übrigen vom Land NRW und dort von der Abteilung regionale Kulturpolitik unterstützt.

Bauschulte selbst stellt mit sichtbarem Stolz das Projekt vor, lädt alle Freundinnen und Freunde der Öcher Heimatsprache ein, regen Gebrauch vom neuen Angebot zu machen und muss doch immer wieder im Gespräch in unserer Redaktion schlucken. Die kleine Träne im Augenwinkel ist nicht zu übersehen. „Wie schön wäre es, wenn wir jetzt hier mit drei, vier oder fünf entscheidenden Leuten mehr sitzen könnten, um das Projekt vorzustellen“, sagt er.
Und tatsächlich wird in diesem Moment klar, wie sehr das Öcher Platt in seiner Vielfalt und seinem Reichtum von Menschen profitiert hat wie Karl Allgaier, wie Richard Wollgarten und Manfred Birmans. Alle drei sind in den zurückliegenden Jahren gestorben, alle drei waren in unterschiedlicher, sich prächtig ergänzender Weise für das Platt und die hier genannten Projekte treibende Kräfte.

Mit dem Sprachwissenschaftler Allgaier und dem wandelnden Öcher Lexikon Wollgarten hat Bauschulte, selbst in Westfalen gebürtig, den Neuen Aachener Sprachschatz über viele Jahre erarbeitet und in eine beeindruckend einheitliche und tiefgründige Form gebracht. Mit Manfred Birmans, Germanist und feingeistiger Sprachanalytiker, stand dem Trio ein umtriebiger Öcher-Platt-Akteur und Manager zur Seite, lange Jahre auch Präsident des Öcher-Platt-Vereins und maßgeblicher Initiator des Internet-Wörterbuchs. Er formulierte auch den weiterreichenden Anspruch, wonach eine Sprachdatenbank als „sprachhistorisches Gedächtnis“ der ganzen Region entwickelt werden sollte, um sprachliche Zusammenhänge und Entwicklungen besser zu verstehen.

„Ja“, sagt Bauschulte, „dass diese Wegbegleiter, die das Öcher Platt in all seiner Tiefe durchdrungen haben, nicht mehr da sind, ist mehr als traurig. Wir haben aber noch gemeinsam dieses Projekt auf den Weg bringen können.“ Und jetzt ist das klingende Wörterbuch – erneut nach jahrelanger akribischer Detailarbeit – am Start.
Alle Aussprachehinweise der „Aachener Grammatik“ von Karl Allgaier sind vorhanden. Köstlich klingt für Platt-Feinschmecker noch einmal nach, wie die geschätzten 27 Diphthonge, die Doppellaute, des Öcher Platts ausgesprochen werden – da hüpft das Aachener Herz vor Freude. Kommt man in der Hochlautung mit vier Diphthongen aus – au, ei, eu, ui –, kann das Öcher Platt mit einer Vielfalt kontern, die ihresgleichen sucht. Blicken wir auf das „ou“: Dass Knouche (also Knochen) einen anderen Klang hat als Kouh (die Kuh) oder Boum (der Baum) wird im klingenden Wörterbuch schnell klar. Man kann es hören! Hier in der Zeitung klingt der Unterschied nicht ganz durch, aber die Knouche tendieren leicht zum au, die Kouh geht Richtung ouw und der Boum liegt recht nahe beim oo.

Der Wohlklang der Heimatsprache ist beeindruckend. Und Meinolf Bauschulte ist richtig stolz und froh, dass das Projekt nebst ausführlicher Gebrauchsanleitung nun durchstartet. Und so lebendig wie die Sprache selbst fortentwickelt werden kann. „Das ist ja tatsächlich der kostengünstige Vorteil gegenüber der Druckform“, sagt er. „Wir können das klingende Wörterbuch nun ständig aktualisieren.“

Alleine aus dem Nachlass von Richard Wollgarten sind über 1000 weitere Wörter in das klingende Wörterbuch eingeflossen. „Mein Vater hat uns lange Listen mit Wörtern hinterlassen, die ihm noch eingefallen sind und wichtig waren“, sagt Uli Wollgarten, selbst Thouet-Mundartpreisträger und in der Szene schwer aktiv.
Gerne wäre man seinerzeit dabei gewesen, als die Sprachschatz-Macher bei einem Tässchen Kaffee (über Jahre zumeist freitagnachmittags) den unendlich scheinenden Reichtum der Öcher Wörter und Redewendungen durchforstet haben, um Schreibweisen und Ausspracheformen gerungen haben und sich bei allem in einem Punkt doch immer einig waren: Die Arbeit lohnt sich für diese einzigartige Sprache. In Buchform und auch jetzt in ihrer klingenden Variante.

2024 soll dann auch noch die klingende Öcher-Platt-Grammatik folgen.