In der FORMENLEHRE sollen nun Substantiv und Adjektiv betrachtet werden, und zwar zu Beginn die Pluralbildung. Das Hochdeutsche kennt im engeren Sinne fünf Pluraltypen; rechnet man diejenigen besonders, die zusätzlich durch Umlaut den Plural signalisieren, so ergeben sich acht:
1. keine Endung:
- a) das Segel, die Segel
- b) der Apfel, die Äpfel
2. Endung -e:
- a) der Tag, die Tage
- b) der Bach, die Bäche
3. Endung -(e)n:
der Mensch, die Menschen
4. Endung -er:
- a) das Bild, die Bilder
- b) der Wald, die Wälder
5. Endung -s:
die Oma, die Omas.
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Für die Aachener Mundart sind die hochdeutschen Möglichkeiten mit einer Ausnahme sämtlich vorhanden, doch kommen Variationen hinzu.
1. keine Endung:
- a) d’r Schong, de Schong – der Schuh, die Schuhe (Peäd/Peäd – Pferd/Pferde; siehe auch 4)
- b) d’r Foss, de Föss – der Fuß, die Füße
(Buuch/Büüch – Bauch/Bäuche;
Kopp/Köpp – Kopf/Köpfe;
Houf/Höüf – Haufe/Haufen;
Hoff/Höff oder Höef – Hof/Höfe;
Sack/Säck – Sack/Säcke;
Hot/Hött – Hut/Hüte;
Stouf/Stöüf – Stoff/Stoffe;
Baach/Bäjch oder Baachens – Bach/Bäche)
- c) als besondere Möglichkeit muss die Kürzung des Vokals gelten:
d’r Daag, de Dag – der Tag, die Tage
(Frönd/Frönnd(e) – Freund/Freunde, vgl. 1d u. 2c;
Peen/Penn – Holzstift/Holzstifte).
Mit Umlaut gibt es entsprechend:
et Wooet, de Wöet – das Wort, die Wörter
(Boum/Böüm – Baum/Bäume;
Wouf/Wöüf – Wolf/Wölfe;
Ömstand/Ömstännd – Umstand/Umstände).
d’r Bärm, de Bärrm – der Haufen, die Haufen.
- d) Außerdem kommt es bei der Gelegenheit der Kürzung Längung zu Auslautverhärtungen (vgl. im Hochdeutschen Stab/Stäbe: „Stab” ist wie mit p zu sprechen) oder Wegfall der Nasalierung:
d’r Honk, de Hong – der Hund, die Hunde
(Zoustangk/Zoustäng – Zustand/Zustände;
Kamiin/Kaming – Kamin/Kamine;
Beän/Beng – Bein/Beine;
Kniin/Kning – Kaninchen/Kaninchen;
Frönd/Fröng – Freund/Freunde).
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2. Endung -e:
- a) de Modder, de Moddere – die Mutter, die Mütter
(Frau/Fraue – Frau/Frauen, vgl. 5;
Hor/Hore – Haar/Haare;
Feäsch/Feäschte – Ferse/Fersen, vgl. 2 c)
- b) et Hooen, de Hööene(r) – das Horn, die Hörner (vgl. 4b)
- c) Varianten wie oben beschrieben:
Frönd/Frönnde (mit Verkürzung) – Freund/Freunde
Tack/Tagge (mit Auslautverhärtung im Singular) – Zweig/Zweige
Weck/Wegge (mit Auslautverhärtung im Singular) – Weck/Wecken
Pennek/Pennegge (mit Auslautverh. im Singular) – Pfennig/Pfennige
Feäsch/Feäschte (mit Sprossdental) – Ferse/Fersen
Og/Oue (mit Kontraktion) – Auge/Augen
Mad/Meä (mit Kontraktion) – Magd/Mägde
Stadt/Steä (mit Kontraktion) – Stadt/Städte
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3. Endung -(e)n:
wird nicht verwendet.
Beä/Beän (Bein/Beine) widerlegt diese Regel nicht. Das „n” ist Bestandteil des ursprünglichen Wortstamms „Beän”, der im Singular verkürzt wurde.
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4. Endung -er:
- a) et Huus, de Huser – das Haus, die Häuser (Peäd/Peäder – Pferd/Pferde; Faaß/Faaßer – Fass/Fässer; Holz/Holzer – Holz/Hölzer
- b) et Daach, de Däjcher – das Dach, die Dächer (Louch/Löücher – Loch/Löcher; Stouf/Stöüfer – Stoff/Stoffe; Hooen/Hööener – Horn/Hörner)
- c) Varianten:
Kenk/Kenger (auch: Kenk) – Kind/Kinder; Biljett/Biljedder – Fahrschein/Fahrscheine (Auslautverhärtung im Singular);
Jesech/Jesechter – Gesicht/Gesichter;
Kouß/Köüste – Kost/Kost
(ähnlich wie in „3 c” ist das „t” Bestandteil des ursprünglichen Wortstammes „Jesecht” bzw. „Koust”, der im Singular verkürzt wurde)
Honn/Honnder – Huhn/Hühner;
Man/Mannder – Mann/Männer;
Mullejan/Mullejannder – Schwätzer/Schwätzer (Spross-Dental);
Höjt/Höjjer – Kopf/Köpfe;
Blatt/Blar – Blatt/Blätter;
Rad/Rar – Rad/Räder (Kontraktion).
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5. Endung -s:
d’r Keäl, de Keäls – der Kerl, die Kerle
(Kaploen/Kaplöens – Kaplan/Kapläne; Frau/Frauens – Frau/Frauen; Jong/Jongens – Junge/Jungen).
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6. Als seltene weitere, im Hochdeutschen nicht vorhandene Bildungen
seien genannt:
- a) et Kengche, de Kengchere – das Kindchen, die K. (Leddche/Leddchere – Liedchen/Liedchen; Ooemeseäk/Ooemeseäke(re) – Ameise/Ameisen, Mäddche/Mäddchere – Mädchen/Mädchen)
- b) d’r Dokter, de Döktesch – der Doktor, die Doktoren (Liehrer, Liehresch – Lehrer/Lehrer)
Angeschlossen sei hier ein Überblick über wichtige Endungen bei der Substantivbildung, die Suffixe:
die Verkleinerung:
Kenk, Kengche – Kind, Kindlein (mit Auslautverhärtung im Singular)
Wiiv, Wivvje – Weib, Weiblein (mit Kürzung des Vokals)
Jong, Jöngsje – Junge, kleiner Junge (Umlaut und eingeschaltetes s).
die Femininum-Bildung:
d’r Meäster – de Meästesche (der Meister – die Meisterin)
Aadräjesche (Verleumderin)
Dökte(r)sche (Doktorin)
Hoddelesortieresche (Lumpensortiererin) usw.
Adjektive werden substantiviert durch -de:
dejjp – Dejjpde (tief – Tiefe)
jrueß – Jrüesde/Jrüetsde/Jrüede (groß – Größe)
kleng – Klengde (klein – Kleinheit)
jenog – Jenögde/Jenöügde/Jenüügde (genug – Genüge)
und -heät, das dem hochdeutschen -heit bzw. -keit entspricht:
jemeng – Jemengheät (gemein – Gemeinheit)
jemöjjlich – Jemöjjlichheät (gemütlich – Gemütlichkeit)
jenau – Jenauigheät (genau – Genauigkeit)
(mit eingeschobener neu gebildeter Adjektivendung wie im Hochdt.).
[-keät kommt im Öcher Platt nur in Burtscheid und Eilendorf vor.]
Verben werden zum Substantiv analog zum Hochdeutschen -ung mit –ong(k):
rechene – de Rechnong(k) (rechnen – Rechnung)
erennere – Erennerong(k) (erinnern – Erinnerung)
achte – Achtong(k) (achten – Achtung)
oder aber auf viel einfachere Weise:
blötsche – d’r Blötsch/de Blötsche (einbeulen – die Beule/die Beulen)
jappe – d’r Japp (gähnen – das einmalige Gähnen)
(weitere Beispiele bei Keller).
Typische Endungen, die auf die letzte Silbe lateinischer Fremdwörter zurückgehen, sind
-ziuen: Spekelaziuen – Spekulation (vgl. Kommelejuen – Kommunion)
-tiet: Kommedetiet (lat. „-tas”) – Bequemlichkeit (vgl. beim Verb: -iere: spekeliere – spekulieren).
Die Endungen
-schaff (hochdt. -schaft) (Fröndschaff – Freundschaft),
-ejj (hochdt. -ei) (Kengerejj – Kinderei),
-el (d’r Rammel – die Anzahl, d’r Köttel – der Kotklumpen),
-et (Voolet/Voolede – Betrunkener/Betrunkene),
-es (Klenkes – der kleine Finger, Nieres – Werner, Backes – Backhaus, Schlonnes – Schlachthaus),
-nes (Fensternes – Finsternis),
-em (Bejßem – Besen, Boem – Boden) u. a. werden ausführlicher bei Keller (S. 40 f.) behandelt.