Für die LAUTLEHRE ist zunächst zu belegen, dass der Vokalbestand des Hochdeutschen vollständig im Öcher Platt erhalten ist. Dazu gehört auch der wesentliche Bedeutungsunterschied zwischen kurzer und langer Aussprache (z. B. hochdt. Mus / muss). Kaum zu erfassen ist dagegen die Praxis der Zwischenstufen. Viele Sprecher gebrauchen deutlich erkennbar auch halb-lange Varianten.

Zu „a”:

Wir unterscheiden das lange (a2) (sage) vom kurzen (a1) (Katz, Dag – Katze, Tage). Die lange Aussprache des „a” schlägt sich auch häufig in der Schreibweise „aa” nieder (Daag, laache, maache, jesaat – Tag, lachen, machen, gesagt), so dass durch Kürzung des Vokals auch der Plural signalisiert werden kann (Daag, pl. Dag – Tag, Tage).

Schon hier darf behauptet werden, dass die Aachener Mundart Vokallängen erreicht, die im Hochdeutschen nicht mehr zugestanden werden.

Aussprache a1, a2

Zu „ä”:

Wir unterscheiden ein kurzes, (halb)geschlossenes (ä1) (Hämmche, häm – Vorderschinken, ihm) und ein kurzes, offenes (ä2) (mär, Färv, Wärmde, erbärmlich, Ärrm – aber, Farbe, Wärme, erbärmlich, Arme). Auch unterscheiden wir (ä3) als langes, (halb)geschlossenes (ä1) (zänke – zanken) und (ä4) als langes, offenes (ä2) (Allärm – Alarm). Auch hier kann das „ä” so lang gesprochen sein, dass es sogar in der Schreibweise verdoppelt wird (Fääl, Jrääl – Fell, Groll).

Eine spezielle Variante stellt das (ä5) dar, das z. B. in „Ärm” (Arm) wie ein langes hochdeutsches „e” in „Esel” klingt (siehe später: (e8)). Diese spezielle Aussprache taucht häufig in Verbindung mit einem einfachen „r” auf (im Unterschied zu „Ärrm” – Arme). Über das „ä” in (eä) (leäg – leer) ist weiter unten bei den Diphthongen zu berichten.

Aussprache ä1, ä2, ä3, ä4, ä5

Zu „i”:

Es gibt ein kurzes (i1) (Spitt; Fisel – Kleinigkeit; Faser, Kleinigkeit) und ein langes (i2) (drive, blive – treiben, bleiben), das wohl kaum kürzer als „ii” (stiif; jiipe – steif; gierig lauern) ist. Ein fast unmerkliches kurzes (i3) tritt bei verlangsamter Sprechweise unzwei- felhaft deutlich hervor zwischen „l” oder „r” und „ch” (ch1) oder „g” (g3) , aber (parallel zum Hochdt.) auch in Adjektivendungen: Kerich, Meelich, Stör(i)ch, röjjhig – Kirche, Milch, Storch, ruhig. (ch1) und (g3) klingen wie ein schwaches „sch” und werden später noch erläutert.

Aussprache i1, i2, i3

Zu „u” und „ü”:

Wir unterscheiden ein einfaches, kurzes (u1) (Huck; Fusel – Winkel, Ecke; Fusel, Tuchfaser) und das lange (u2) (dusend – tausend). Auch das „u” kommt lang gesprochen in doppelter Form vor (Muus; Ruut – Maus; Raute, Scheibe). Entsprechend gibt es das einfache kurze (ü1) (hü, bedüselt, Lü, Küll, früse – heute, angeheitert, Leute, Keule, frieren) und das lange (ü2) (Düvel, Rüse – Teufel, Zank). Auch hier gibt es das „üü” (rüüche, Düüt – riechen, Deut).

Aussprache u1, u2, ü1, ü2

Sprachhistorisch sei hier notiert, dass Fälle wie Mull (Maul), Dumm (Daumen), Duvv (Taube), in ihrer gestoßenen Ausspracheweise als „Aachener Kürzung“ bezeichnet werden. (Quelle 03)
Noch auffälliger ist dieser sogenannte Stoßton als ein kurzes Verharren vor einem stimmlosen Doppelkonsonanten, vor -ck oder einem Rachen-ch, wie bei zappe (zapfen), zacker (verflucht) oder poche (prahlen). Die Stimmritze wird hier ganz kurz geöffnet. In unseren Aussprache-Hinweisen wird das durch ein „h” markiert.

Aussprache h

Der Unterschied ist bedeutungstragend: man vergleiche „Bejj“ (Biene) mit „beij“ (bei). Letzterer Laut wird hingegen als Schleifton bezeichnet und ist typisch für den „singenden” Tonfall der sogenannten „Rheinischen Schärfung”, die für das Ripuarische (Aachen, Köln) und Limburgische (Kerkrade, Maastricht) charakteristisch ist.

Für „e”, „o” und „ö” ergeben sich zunächst gleiche Befunde. Darüber hinaus aber stoßen wir auf Laute, die das Hochdeutsche nicht kennt. Dort werden bekanntlich kurzes „e” und kurzes „o” immer „offen” ausgesprochen.

Zu „o”:

Im Öcher Platt gibt es offene und geschlossene Varianten. Wir kennen ein nur in der Mundart vorhandenes kurzes, geschlossenes (o1) (roffe, fonge, kot – rufen, gefunden, kurz) und eine langes, geschlossenes (o3) (Nonk – Onkel), ebenso ein kurzes, offenes (o2) (schloffe, Bolle, Kotz – schlafen, Kugeln, Erbrochenes) und ein dem Hochdeutschen fremdes langes, offenes (o4) (Voolbaat – Vollbart). Auch hier gibt es in der Rechtschreibung ein doppeltes „o” z. B. in Zool (Zoll) (geschlossen) oder Voolet (Betrunkener) (offen). Der „Neue Aachener Sprachschatz” kennzeichnet ein geschlossenes (o1) und (o3) mit Unterstrich.

Aussprache o1, o2, o3, o4

Zu „ö”:

Wie beim „o” gibt es auch beim Umlaut geschlossene und offene Aussprache. Wir unterscheiden ein nur in der Mundart vorhandenes kurzes, geschlossenes (ö1) (mösse, Jlöck, Mösch, Dösch – müssen, Glück, Spatz, Tisch) und eine langes, geschlossenes (ö3) (könt, Möne – kommt, alte Frauen), ebenso ein kurzes, offenes (ö2) (könne, schönn, döcks, Klöcksje – können, schön, oft, Glöckchen) und ein dem Hochdeutschen fremdes langes, offenes (ö4) (Wöjel – langweiliges Gerede). Auch hier gibt es langes geschlos- nes „ö” z. B. in „vööl” (viel) oder „Stör(i)ch” (Storch). Der „Neue Aachener Sprachschatz” arbeitet beim geschlossenen (ö1) und (ö3) mit Unterstrich.

Aussprache ö1, ö2, ö3, ö4

Zu „e”:

In der Aachener Mundart sind beim „e” mehrere verschiedenartige Aussprachen zu unterscheiden.

Eine Besonderheit ist das (e1) (Ness, heä jett, messe – Agnes, er gibt, vermissen), wo „messe” keinesfalls wie hochdeutsch „messen, Messe” zu sprechen ist, sondern wie ein sehr spitzes „e”, fast sogar ein wenig in Richtung „i”. Lang gesprochen handelt es sich um das (e7). In der Rechtschreibung wird oft „ee” geschrieben wie bei „een Oche” (in Aachen), ein klarer Unterschied zum unbestimmten Artikel „en” (ein) (= (e3), siehe unten).

Will Hermanns und Rudolf Lantin haben dieses kurze geschlossene „e” meist mit Trema „ë” dargestellt, was in der täglichen Schreib- weise kaum durchzuhalten ist. Der „Neue Aachener Sprachschatz” arbeitet mit Unterstrich: e. (Quelle 04)

Wir unterscheiden dazu besonders das (e4), das ähnlich klingt wie das erste „e” im hochdeutschen „stellen”. Dies ist von besonderer Wichtigkeit bei gleich-buchstabierten Wörtern wie

„stelle” (e4), stalt, jestalt = hochdt. „stellen” und
„stelle” (e1), stellet, jestellt = hochdt. „stillen”,

oder

„setze” (e4), satz, jesatz(t) = hochdt. „setzen” und
„setze” (e1), soeß, jesejße = hochdt. „sitzen”,

da sich die Übersetzung erheblich unterscheiden kann.

Darüber hinaus gibt es noch folgende Varianten:

(e2) klingt wie ein kurzes hochdeutsches „e” (Eschlag – Einschlag).

(e8) ist ein langes (e2) (wie bei „zoufrese” – zufrieren); es klingt wie der Anfangsbuchstabe beim hochdeutschen „Esel”. Im Öcher Platt wird (e8) auch oft durch ein „ee” hervorgehoben (De(e)ngsdeg, Meelich – Dienstag, Milch).

(e3) ist ein auch im Hochdeutschen vorkommendes abgeschwächtes „e”, das im Öcher Platt im unbestimmten Artikel „en” oder in Endsilben (Höngche, fummele – Hündchen, fummeln) vorkommt.

(e5) klingt wie ein deutliches, offenes „ä” (ferm – fest).

(e6) ist kaum hörbar wie bei „Kör(e)v” (Körbe). Ahnlich wie bei (i3) tritt ein fast unmerkliches kurzes „e” besonders bei verlangsamter Sprechweise deutlich hervor zwischen „lk”, „lp” und „lb” wie bei „Vol(e)k” (Volk) oder „Höl(e)p” (Hilfe). Der davor liegende Vokal wird gleichzeitig gedehnt. Ebenso verhält es sich bei den Konsonantenverbindungen „rk”, „rm”, „rp” und „rv”, wobei hier das „r” (r) besonders deutlich gesprochen wird. Ein kurz gesprochener Vokal liegt vor „rb”, „lf”, „rf” und „lm” wie bei „Bär(e)b” (Barbara).

(e9) klingt wie ein langes (e4) in „Zent” (Cent).

Aussprache e1, e2, e3, e4, e5, e6, e7, e8, e9

Beispiele:

Dat (a1) jett (e1) jät (e4). (Aussprache: kompletter Satz) – Diese Beziehung scheint zu einer Heirat zu führen.

Onger (o3) mi (i1) Bett (e4), do (o2) steäht e (e3) Koffer (o3), än (ä4) een (e1) dat (a1) Koffer, do es (e1) e Köfferche (ö2). (Aussprache: kompletter Satz)
– Unter meinem Bett, da steht ein Koffer, und in dem Koffer, da ist ein Köfferchen.