Vorbemerkungen von Dr. Karl Allgaier

Wenn im folgenden mehrere Kapitel aufgeschlagen werden sollen, die sich der Grammatik des Öcher Platt zuwenden, so ist damit nicht ein Werk beabsichtigt, das den Gegenstand erschöpfend darstellt (und damit auch den Leser erschöpfen würde). Es kann nicht einmal in der Lautlehre um Vollständigkeit gehen, weil damit auch die jeweilige Herleitung aus der indogermanischen Sprach-geschichte erforderlich würde. Hierzu hat bereits 1891 Arnold Jardon Wesentliches geleistet (Quelle 01). Auch die Sprachgeographie, d. h. die Abgrenzung gegen benachbarte Sprachräume, muss hier außer Acht bleiben. Verwiesen sei lediglich auf die Arbeiten von Wilhelm Welter (Quelle 02).

Versucht werden soll eine systematische Beschreibung der wichtigsten grammatischen Elemente mit dem Schwergewicht auf Besonderheiten und Auffälligkeiten. In manchem Detail mag es auch weniger zu Feststellungen als vielmehr zu der Frage kommen: Spricht man (noch) so? Denn die Mundart bleibt lebendig und in Bewegung.

Vorweg ist aber schlicht zu fragen: Warum suchen wir überhaupt nach dieser Systematik? Der gewöhnliche Sprecher hat keine Grammatik in der Tasche und braucht sie auch nicht. Aber es finden sich doch genug Sprecher und Sprecherinnen, die sich auch einmal vergewissern wollen. In der Tat gibt es ja ein „Richtig” und „Falsch”, und es kann beileibe nicht jeder sprechen, wie seine Laune es ihm eingibt. Die Sprachgemeinschaft würde widersprechen: so spricht man (hier) nicht (mehr). Das muss nicht heißen, dass es nicht auch unscharfe Bereiche oder mehrere Möglichkeiten der Aussprache oder Formenbildung nebeneinander geben kann. Aber die Sprache, auch die nur gesprochene, bisher nirgends schriftlich fixierte, hat sehr wohl ihre Gesetze, auch wenn diese meist unbewusst befolgt werden.

Die Mundart ist ein Teil der ganzen Sprache, eigentlich ihr Kern. Das Hochdeutsche ist ursprünglich nur eine Konvention, ein Über-einkommen über Normalisierung für die große Gemeinschaft eines politischen Raumes, also zuerst Kanzleisprache, Sprache der Gesetze, damit die vorrangige Form der Schriftsprache und endlich der gemeinsamen Literatur, vor allem der Bibel. Im Mittelalter verteilt sich die deutsche Hochliteratur noch sehr deutlich auf verschiedene Mundarten, so dass man sagen muss, dass es  d a s  Mittelhochdeutsche, wie wir es heute in den Lehrbüchern finden, so nicht gegeben hat.

Mit dem Moment der schriftlichen Fixierung wird eine Weiterentwicklung, ein Auseinanderdriften beträchtlich gehemmt. Und so ist für die Entwicklung des Öcher Platt die Einigung auf einen Schreib-Standard ein sehr spätes Phänomen, das bis heute an vielen „native speakers” vorbeigegangen ist: „Ich spreche von Kind auf Öcher Platt, aber ich weiß nicht, wie man es schreibt.” Alle Schreibungs-Versuche haben immer nur das Eine angestrebt: die Aussprache möglichst genau nachzubilden.

So wie die Aachener Mundart Teil des Deutschen ist, so enthält sie umgekehrt auch hochdeutsche Elemente. Das hochdeutsche Wort „natürlich” heißt auch im Platt nicht anders. Viele grammatische Regeln stimmen (erwartungsgemäß) vollkommen überein, andere Abweichungen erfolgen mit strenger Regelmäßigkeit. Darum soll in den folgenden Beobachtungen vor allem den charakteristischen Besonderheiten Aufmerksamkeit geschenkt werden.