Die FORMENLEHRE des Adjektivs ist im Vergleich zum Hochdeutschen von zahlreichen Besonderheiten gekennzeichnet (Quelle 31), die häufig eine zum Niederländischen parallele Entwicklung erkennen lassen. Eine ausführliche Darstellung dieses wenig standardisierten Reichtums einschließlich seiner sprachgeschichtlichen Herleitung ist hier wie in den vorangegangenen Kapiteln nicht beabsichtigt. Das Material liegt z. T. schon bei Jardon (1891) und sehr gründlich in der erst jüngst veröffentlichten Arbeit von Adolf Steins (Quelle 32) aus dem Jahr 1921 vor
Vorgestellt sei also nur das Wichtigste.
- a) Die substantivische Verwendung:
Singular:
Masculinum: d’r/deä Aue (der Alte) / ene Finge (ein Feiner)
Femininum: de/die Au (die Alte) / en Fing (eine Feine)
Neutrum: et/dat Aut (das Alte) / e Fingt (ein Feines)
Plural: de Aue – die Alten, de Finge – die Feinen, de Riiche – die Reichen etc. …
Im Neutrum tritt also (nicht immer) ein Dental zutage, der entweder ursprünglich (vgl. „alt”) oder nur analog ist (eä Jrueßt – ein Großes, dat Deckt – die Dicke (Frau)). „Jät Klengs” (etwas Kleines), „jät Schönns” (etwas Schönes) ist ein sogenannter Teilungsgenitiv (Quelle 33).
- b) Die prädikative Verwendung:
Sie ist wie im Hochdeutschen endungslos und besitzt dann auch nicht die Lautveränderungen, die erst im Zusammenhang mit Endungen auftreten:
heä es ooet (er ist alt)
(aber: d’r Aue) (der Alte)
seij es fiin (sie ist fein)
(aber: de Fing) (die Feine)
et es kooet (es ist kalt)
(aber: ich han et Kau ope Liiv (ich habe Schüttelfrost);
die Kau jeäht enge dörch Mark än Pennegge (die Kälte geht einem durch Mark und Bein)
dat es jot (das ist gut)
(aber: dat es ene Joue) (das ist ein Guter)
de Fläjsche sönd leäg
(aber: leäge Klaaf ) (leeres Gerede)
(die Flaschen sind leer) [„g” = stimmhaftes sch])
- c) Die attributive Verwendung:
Einen systematischen Unterschied zwischen starker und schwacher Endung (ein schöner Tag / jeder schöne Tag; jedes Jahres / jedes schönen Jahres) gibt es in unserer Mundart nicht.
Nebeneinander finden sich
en au Frau (eine alte Frau), en ooet Wiiv (ein altes Weib)
en jrueße Klock (eine große Glocke), en schleähte Lüüeht (eine schlechte Laterne)
nöjj Schong (neue Schuhe), lues Kenger (schlaue Kinder), schröjels Köpp (unansehnliche Köpfe)
luese Holzköpp (schlaue Holzköpfe [Öcher Schängche]), decke Fröng (dicke Freunde), jrueße Uhre (große Ohren)
ming Beän (meine Beine) (Plural!)
zwej lenke Beän (zwei linke Beine), e zänke Wiiv (ein zänkisches Weib), de klaafe Wiiver (die schwatzhaften Weiber), kraache Schong (knarrende Schuhe) (Partizipien)
met jrueße Heären (mit großen Herren).
Sogar im Nominativ sind schwache Endungen häufig:
ene auen Man (stark) – ein alter Mann
D’r Nöjjen es ömmer schleähter. – Das Neue ist immer schlechter.
D’r auen Daag – das Alter
(Akkusativ: Heä hat ene schönne auen Daag. – Er hat einen schönen Lebensabend.)
Aber auch:
Seij hat höre joue Daag. – Sie hat ihren guten Tag.)
E voll Wiiv es enen Engel ejje Bett. – Ein betrunkenes Weib ist ein Engel im Bett.
Du fisen Ammi – Du fieser Kerl
Wat ene fisen Honk – Welch ein fieser Hund
Et es kloren Daag – Es ist ein klarer Tag.
Auch in der Steigerung des Adjektivs fallen Besonderheiten auf:
Nicht nur heißt es „schlemmer wi” (schlimmer als). Auch die Formen weichen ab. Der Komparativ wird regulär mit -er, der Superlativ mit -ste / -sde gebildet (Quelle 34), doch auch hier kommen Spross- Dentale und andere Umlaute vor:
lang(k) – langer (auch: länger) – d’r längste (lang …)
spie – spieder – d’r spietste (spät …)
frueh – fruehder – d’r fruehtste (früh …)
jrueß – jrueßer – d’r jrüetste (groß …)
schwor – schworder (auch: schwörer) – d’r schwörste (auch: schwörschte) (schwer …).
Unregelmäßig wie im Hochdeutschen:
jot/jou – bejster (besser) – et bejste (am besten).
Daneben gibt es aber auch:
os jotste Kengche (das beste Kindlein).
Und der Aachener kann auch „bau” (bald) steigern:
Steins hat ein schönes Beispiel für die Steigerung eines Partizips aufgeschnappt:
E frejßer Schennoes han ich noch net jesiieh. (Quelle 35) – Einen verfresseneren Schalk habe ich noch nicht gesehen.
Abschließend einige Bemerkungen zur Adverb-Bildung:
Im Hochdeutschen (anders als in Englisch, Französisch oder Latein) braucht sie meist keine besondere Endung („sie singt schön”).
Das Adverb des Superlativs („am besten”) fanden wir soeben:
Dem Öcher Platt stehen mehrere Endungen zur Verfügung:
„rettelengs” (vgl. „rittlings”, „blindlings”),
„sijlengs” (im Damensitz)
„rechtijeweg” (wahrhaftig) zu
„rechtig” (richtig),
„dommeweg” (unüberlegt)
„rattschijeweg” (plötzlich) neben
„rattschig” (plötzlich); vgl.
„rengewegs” (ganz und gar)
„terecktemang” (unmittelbar) (nach dem Französischen)
und besonders häufig:
stellchens – sachte
süüetchens – leise
schönnchens – hübsch
wärrmchens – warm, angenehm
kuschjens – ganz still
hübschjens (Quelle 36) – auf nette Art